„Das kann man von Stresemann lernen: Außenpolitik muss zwar den nationalen Interessen eines Landes folgen. Aber sie darf nie nur reiner Reflex der Innenpolitik sein – und sich noch weniger im Hochhalten eigener moralischer Wertvorstellungen erschöpfen.“ (Stresemann-Rede 2021)
Sigmar Gabriel spannte in seiner Rede einen Bogen durch mehr als ein halbes Jahrhundert, als er folgendes beschrieb:
„Nicht mal ein Menschenleben lang brauchte es [nach dem Zweiten Weltkrieg], um aus erbitterter Feindschaft und Völkermord Partnerschaft und Freundschaft entstehen zu lassen. Und weniger als eine Generation hat es benötigt, um von Auschwitz nach Brüssel zu gelangen. Das zeigt, zu was Menschen in der Lage sind, wenn sie nur wollen. Und es zeigt, auf welch großen außenpolitischen Schultern unser heutiges Leben stehen darf.
Und zu diesen außenpolitischen Riesen gehört ganz zweifellos auch Gustav Stresemann. Zusammen mit Friedrich Ebert war er der wohl bedeutendste Staatsmann der Weimarer Republik.“
Das vollständige Redemanuskript finden Sie hier, Gabriel veröffentlichte auf der Basis der Rede anschließend ein Essay in der FAZ vom 6. Dezember 2021.
Im April 2022 äußerte sich Gabriel im SPIEGEL zu Deutschlands Haltung im Ukraine-Krieg – unter ausdrücklichem Bezug auf Stresemanns Handlungsmaxime: „Die Realität aber ist, dass Außenpolitik und Diplomatie nicht auf Dauer von Panzern und Raketen ersetzt werden können. Und dass man auf der Suche nach gewaltfreien Konfliktlösungen den sehr unbequemen und meist auch sehr unpopulären Schritt machen muss, sich in die Schuhe des Gegners zu stellen. Nicht um sich dessen Schuhe anzuziehen, aber um den Raum für denkbare Verständigungen zu vermessen. Gustav Stresemann handelte so und erreichte damit einst die Aussöhnung Deutschlands nach Westen. Willy Brandt erreichte auf diesem Weg die Aussöhnung nach Osten und schuf zugleich die Voraussetzungen zur Wiedervereinigung.“.